Der heimische Arbeitsplatz – Denkanstoß zu Ordnung, Ritual und Kommunikation

Tag 10. Hier sitze ich, an meinem „Schreibtisch“. Es fühlt sich ungewohnt an. Normalerweise verbringe ich die Zeit zwischen zwei Lehrveranstaltungen gemeinsam mit meinen Freunden in der Bib oder – bei diesem schönen Wetter – draußen im Hof der WiSo. Manchmal zieht es mich einfach so nachmittags in die Bib; dort kann ich mich einfach besser konzentrieren. Jetzt sitze ich hier: Alleine an meinem nicht besonders ordentlichen Tisch. Ich versuche, die Vorlesung nachzubereiten. Es ist einfach nicht dasselbe. Warum nur?

Ordnung schafft Freiraum

Zuhause ist mehr Ablenkung vorhanden. Während die Tische in der Bib durch Leere und Freifläche bestechen und sich erst sukzessive mit dem Mitgebrachten und dem dazugehörigen Wissen füllen, fordert der heimische Multifunktionstisch tagtäglich zum mühsamen Kampf um Freiraum auf. Nicht benötigte Utensilien stapeln sich regelmäßig in einer „freien“ Ecke oder dienen als Fundament für Laptop und Co. Diese architektonische Meisterleistung zieht alle Blicke magisch auf sich, besticht dabei jedoch nicht durch besondere Funktionalität. Dabei wäre der blanke Tisch eigentlich kein Hexenwerk. Die tatsächlich zur Vor- und Nachbereitung der Lehrveranstaltung benötigten Materialien lassen sich in einer schicken „Schreibtischtasche“ – analog zur „gläsernen“ Bibtasche –  verstauen. Die übrigen Utensilien sind in Ordnern, Regalen, Schubladen und Kisten, dem Mülleimer oder der Spüle womöglich besser aufgehoben. Ordnung auf dem Schreibtisch schafft Freiraum im Kopf.

Ritual schafft Oszillation – Kommunikation schafft Verständnis

Zuhause sorgen regelmäßig andere Akteure mit jeweils eigenen Interessen und Ritualen für Unruhe. Die Familie, der Partner, zwei bis fünf Mitbewohner oder die Katze fordern – gewollt oder ungewollt – Aufmerksamkeit in ursprünglich intimen Phasen der Konzentration. Gleichzeitig fehlt die gegenseitige Motivation und Unterstützung der Lerngruppe bzw. der Kontakt zu anderen Kommilitonen. Die eine soziale Gruppe ist kein Ersatz für die andere; das kann und soll sie auch nicht sein.

Zuhause verschwimmen die Grenzen. Die räumliche Trennung zwischen Schlafen, Leben, Lernen, Essen ist häufig nicht scharf konturiert. Noch eben in Schlafanzug oder Jogginghose auf dem Bett gefrühstückt, werden nebenbei die Vorlesungsunterlagen sortiert oder doch die erste Serie des Tages gestreamt. Diese Form der grenzenlosen Freiheit sorgt für Zerstreuung, aber nicht immer für fokussierte Konzentration. Anders gestaltet sich das Lernen in der Uni. Es beginnt stets mit einer klaren Grenze: Dem Verlassen der eigenen vier Wände. Der Weg zur Uni sorgt für frische Luft, aber auch für ein Ritual. Wenn bestehende Rituale wegbrechen, benötigt jeder von uns neue Rituale, die den Lernalltag ein- und wieder ausläuten. Mach dich auf die Suche nach deinem Ritual: Ist es die gleiche Uhrzeit für Lernbeginn und -ende, die gleiche Kaffeetasse am Morgen, die gleiche Prozedur im Badezimmer, die gleiche Routine bei der Kleiderauswahl, die morgendliche Runde um den Block? Nicht nur der Beginn, sondern auch das Ende will definiert sein. Was gibt es Schöneres als das Feierabendbier nach getaner Arbeit oder die neue Folge der Lieblingsserie zur Belohnung? Rituale schaffen Oszillation. Und damit Schwingkräfte für erfolgreiches Studieren.

Lernen braucht Ruhe, Kontinuität, Disziplin. Entscheide dich dafür. Kämpf für diese Ruhe. Kommuniziere fest eingeplante Lernzeiten. Umgib dich mit Gleichgesinnten. Verabrede dich zu virtuellen Lernmeetings. Halte diszipliniert an deinen Zielen fest. Lerne, mit Misserfolgen und Rückschlägen umzugehen. Belohne dich für Erfolge. Beziehe dein soziales Umfeld in diese ein. Offene Kommunikation schafft Transparenz, Verständnis und Wissen.